Der Himmel über Russland

Seit zwei Wochen und über 3000 km bin ich nun unterwegs Gen Osten. Die Straßen in Russland sind gerade. Angenehm wenig Ausstattung, kaum Schilder, keine Leitplanken oder Pfosten; Straßen ebent. Manchmal verendet die Straße in einer Baustelle. Bei uns wäre eine Umleitung ausgewiesen; hier in Russland gibt es keine anderen Straßen über solche Entfernungen, die man dafür nutzen könnte. So brettern die Russen in die Löcher, den abgekratzten Asphalt, durch grobe Schotteraufschüttungen. Sie nehmen`s gelassen, sind es ja gewöhnt. Mir stehen dabei immer noch die Haare unterm Helm zu Berge.

Oft gibt es Geschwindigkeitskontrollen, überwiegend an Fußgängerüberwegen. Da sind sie auch absolut richtig! Einmal hielt mich die Polizei an. Die beiden wollten aber nur plaudern. Stellten Fragen zum Benzinverbrauch der Honda und ihrer Leistung. Konnten`s nicht fassen, dass da eine Frau drauf sitzt. So geht es auch beim Tanken. Die Männer gucken: ein Motorrad mit ausländischem Kennzeichen. Mit viel Gepäck! Eine Frau...!!!

Der Natschalnik muss die Männer zur Ordnung und zur Arbeit zurück rufen, damit es weiter geht.

Jetzt zahlt es sich aus, das Sitzen und Pauken. Seit Jahren lernen wir einmal in der Woche im Semester in der Volkshochschule Russisch. Mit sanftem Druck holt uns unsere Russischlehrerin Helene immer wieder zurück zu den Lektionen, wenn wir abschweifen und aus unseren Leben erzählen. Wir, das sind vier Unentwegte, alle über 60 Jahre, die nicht aufhören wollen zu lernen und vor allem gerne reisen. Als ich heute mit Valerie durch Borissolebsk raste um alle Sehenswürdigkeiten dieser Stadt zu besuchen, kamen uns seine Deutsch- und meine Russisch Sprachkenntnisse zu Gute. Aufgegabelt hatte mich Valerie an der staubigen Straße als kurz vor dem Erreichen meiner Unterkunft mein Handy schlapp machte. Er zeigte mir alle Museen, die Galerien, das Theater, das denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude. Öffnete alle bereits verschlossenen Türen um mir einen Einblick in die Kultur seiner Stadt zu ermöglichen.  Auch den notwendigen Ölwechsel für die Honda organisierte er kurz vor Feierabend in der Werkstatt. Auf dem Soldatenfriedhof standen wir schweigend beieinander.

Wären wir damals nicht als eroberungswütige Krieger gekommen sondern als interessierte Reisende, hätten wir die große Gastfreundschaft der Russen erleben können.

Morgen erreiche ich Saratov und die Wolga. Dann fahre ich Richtung Kasachstan auf den Straßen unter dem weiten Himmel über Russland.