Khorugh

Khorugh ist die Hauptstadt des autonomen Gebiets Gorno-Badakhshan in Tadschikistan. Immer wieder kam es hier in den letzten Jahren zu "Zwischenfällen", Gefechten, Brand Anschlägen, Morden und plötzlichen Unruhen zwischen Regierungsgruppen und Oppositionellen. Ich bin hier nun gelandet und habe mittlerweile Familienanschluss gefunden. Mit dem jüngeren Bruder des Gastgebers korrigierte ich heute die Hinterradbremse meiner Honda; sie hatte sich fast komplett festgezurrt und ich konnte den Hinterreifen kaum mehr von Hand drehen. Mit dem Gastgeber Farrukh und seiner Geliebten Roza aß ich zu Mittag und erfuhr dabei einiges Interessantes über diese Stadt mit ihren knapp 30.000 Einwohnern. Obwohl Khorugh immer noch auf über 2000m Höhe liegt ist es inzwischen heiß geworden; allerdings wohl kühl im Vergleich zu Duschanbe mit dort über 40°C. Am Samstag findet hier der sogenannte Cross-Border-Market statt, auf dem Afghanen und Tadschiken Waren anbieten und kaufen. Für diesen Tag öffnet sich die Grenze auch ohne Visum. Allerdings hoffe ich am Samstag bereits wieder on the road zu sein. Aufbrechen kann ich aber erst, wenn mein rechter Fuß, der eher einem geschwollenen, blutunterlaufenen Klumpen gleicht, soweit abgeheilt ist, dass ich wieder in den Motorrad Stiefel komme. Sofort wieder aufs Bike! Sagen meine Berater; und ich spüre, dass es richtig wäre. Manchmal kriecht die Angst vor einem nächsten Sturz kalt in mir hoch. Also reinige und pflege ich meine Honda vorerst, nähere mich ihr vorsichtig an, streiche über die Schäden durch die Stürze, setze mich auch mal drauf ohne zu fahren und hoffe, dass ich bald eine kleine, vorsichtige, erste Runde drehen kann. In der Zwischenzeit plane ich die weitere Route. Noch bin ich in time; erst am 1.8.2018 muss ich mich an der Grenze nach Turkmenistan einfinden. Für diesen Transit habe ich dann genau 5 Tage. 

Die Menschen hier sind in Feierlaune; ihr Oberhaupt Aga Khan hat 60. Geburtstag. Die Frauen tragen glitzernde, bunte Kleider. Abends flanieren alle auf den Straßen. Die ganze Stadt hat sich mit Blumen und Girlanden geschmückt, um den schwerreichen Wohltäter zu feiern. Dieses Oberhaupt, und aus Sicht der hier lebenden Ismailiten, der rechtmäßige Nachfolger des Propheten Mohamed, unterstützt die Pamiris durch den Ausbau von Infrastruktur, Arbeitsplätzen und Bildungsinvestition. Ohne die Aga-Khan Stiftung hätten die Menschen im Pamir die Jahre des Bürgerkrieges wohl kaum überstanden. 

Khorugh liegt am Zusammenfluss von Panj und Ghunt an der afghanischen Grenze und ist umgeben von hohen, kahlen Bergen mit bis zu 5000m Höhe.

Als wir uns gestern auf der Suche nach einem Guest House in einer schmalen Bergpiste verhedderten und unser Fahrer wenden wollte, rutschte er mit dem rechten Hinterreifen in eine Müllkippe. Erst mit der Hilfe von freundlichen Pamiris konnte der schwere Toyota wieder aus dem stinkenden Dreck gezogen werden. Auf diese Weise trafen wir auch meinen jetzigen Gastgeber, der ebenfalls vor Ort war und uns nach der Rettung zu seinem Hostel geleitete.

Wie die Tadschiken eine solche Stress Situation bewältigen ist bewundernswert. Sie hocken sich in einer Gruppe auf den Boden und sprechen ruhig miteinander. Vermutlich noch nicht einmal über das zu behebende Problem; es wirkt eher wie entspannter small talk. Auf den ersten Blick sieht es so aus als würde nichts unternommen, um eine Lösung herbei zu führen. Bald aber kam ein anderer SUV herbei gefahren, der den schweren Wagen aus seiner Notlage befreite. Geld für ihre Hilfe haben sie nicht angenommen; hier braucht jeder immer mal wieder die Unterstützung der Anderen. Man ist auf einander angewiesen. Man hilft sich.