Die Wüsten

Der kleinere der beiden Schweizer  Jungs mit den schönen Enduros fällt auch öfter mal um. Er kann gut verstehen, warum ich bereits den 4. Bremshebel anschrauben musste. Es reichen wenige cm, die der rechte Boden schräg nach unten abfällt und schon kommt das Moped ins Kippen. Mit meinem noch schwächlichen Knöchelchen kann ich das Gewicht nicht halten und alles geht zu Boden...

Ich habe die beiden im Hotel in Sarachs direkt hinter der turkmenisch-iranischen Grenze getroffen. Sie sind auf dem Weg nach Turkmenistan, Usbekistan  und Kirgistan. Tadschikistan umfahren sie nach dem Terroranschlag lieber; der bei dem Anschlag getötete schweizer Fahrradfahrer kommt wie sie aus Zürich.

Sie sind unterwegs mit den richtigen Enduros: zwei legendäre Yamaha Tenere mit 600 ccm, leichte Geländemotorräder und Reiseenduros mit riesigen Federwegen, Einzylinder und Kickstarter, Baujahr 1983. Mit ihrem großen Tank kommen sie über 700km weit. Grade mal 150kg schwer. Meine Honda wiegt 129kg. Ein Motorrad wie geschaffen für Abenteurer und Lagerfeuerträume!

Es war ein entspannter Abend mit den beiden. Ein gutes Gespräch. 

Der Grenzübertritt nach Iran war interessant. Der erste Grenzer wollte mir wie üblich die Hand geben, zuckte aber zurück als er erkannte, dass da eine Frau auf dem Motorrad sitzt. Die Büroräume durfte ich erst nicht betreten; zu meiner Abfertigung mussten sie erst einen "schwarzen Vogel" suchen, eine mit einem schwarzen Tuch völlig verhüllte Frau, die die Prozedur mit mir durchführen konnte. Auch hier in der konservativen Metropole Mashad ist der größte Teil der Frauen in den Tschador gehüllt. Ich kann mir vorstellen, dass diese düstere Verhüllung auf Dauer auch die Identität einer Frau verändern kann. Ich falle krass auf mit dem Motorrad und werde ungläubig angestarrt. Der junge Tankwart im Vorort fragte gleich drei mal ob ich wirklich eine Frau sei und konnte es nicht glauben. Benzin hat er mir auf meine eindringliche Frage dann aber trotzdem rausgerückt. Frauen im Iran dürfen nicht Motorrad fahren. Irgendwann hatte die Grenzbeamtin dann genug von mir. Die jungen Zöllner, die anschließend eigentlich die Papiere und das Carnet de Passage fürs Moped ausfüllen sollten, kamen nicht voran, weil sie dauernd selfies mit mir machen wollten und persische Worte einübten. Der Iran sei ein freies Land erklärten sie voll Begeisterung. Und für einen jungen Moslem, der beim Staat angestellt ist, mag das stimmen...

Plötzlich war es 17 Uhr und die Grenze sollte geschlossen werden. Eilig beendeten sie die Schreibarbeiten und steckten meinen Pass zusammen mit anderen Unterlagen gleich mit in die Schublade. Glücklicherweise bemerkte ich sein Fehlen sofort. Das falsche Foto im Iranvisum interessierte auch keinen. Immerhin  stimmte der "Schleier" farblich einigermaßen ;-))

Die Reise durch Turkmenistan und die Fahrt hierher nach Mashad im Iran führt durch eine Wüste. Keine unbelebte; Pflanzen wachsen im heißen Sand und Hasen oder Kaninchen, auch Esel leben hier. Kamele tauchen wieder auf. Wüst gefallene kleinere Siedlungen aus Lehm waren in der Nähe von Flüssen gebaut worden. Jetzt sind die Flußbette trocken und sehen nicht so aus als würden sie je wieder Wasser führen. Vermutlich mussten die hier lebenden Menschen dieser Veränderung weichen und in die Vororte der Städte ziehen. 

Seit ich Tadschikistan verlassen habe, scheinen die Länder wohlhabender, die Menschen größer und die Infrastruktur entwickelter zu werden. Waren in Turkmenistan die Landstraßen häufig noch baufällig, entsprechen die iranischen Straßen europäischem Niveau. 

Die Wüsten, durch die ich seit drei Tagen reise, sind wunderschön; eigenartige, fremde Lebensräume, unwirtlich und faszinierend...