Sehnsucht in den Wüsten

…einfach so dahin fahren…träumen… rechts und links die iranische Wüste…

Jetzt wenden! Dort hin wo ich herkomme…

 

Weiter gen Osten.
Dort im Osten irgendwo zwischen Tadschikistan, Afghanistan und China fährt Rik, der schöne Soldat aus den Niederlanden, mit seiner Transalp und dem notdürftig reparierten Stoßdämpfer, weiter gen Osten, ein paar Tage durch China, dann auf den Karakorum Highway, diese internationale Fernstraße, die Kaschgar im Autonomen Gebiet Xinjiang mit Pakistan verbindet, Richtung Nepal, Südostasien, dort will er übersetzen nach Australien…
An Rik, an die beiden Schweizer auf ihren Yamaha Ténéré 600 und die vielen anderen Fernreisenden, denen ich begegnet bin, und an diejenigen, die in aller Welt auf allen Straßen unterwegs sind, denke ich an diesen langen, heißen Wüstentagen. Und auf einmal spüre ich dieses unstillbare Fernweh. Aufbrechen, weiterfahren, irgendwohin, nicht nach Hause… dann wird die Welt beinahe zu klein.
Wir Motorrad Fernreisenden sind dreckig. Die Stiefel staubig. Die Jacken und Hosen tausendmal verschwitzt, sitzen damit auf der Erde und machen just da Pause, wo sich ein schattiger Platz findet. Der Helm verkratzt. Die Handschuhe steif vom Regen, Staub und Schweiß. Wir haben uns daran gewöhnt. Die Maschine, die wir fahren, ist unser Zuhause, die Packtaschen drauf, die Alukoffer, Reservekanister für Benzin. Wir brauchen nicht mehr viel. Abends ein Hotelzimmer und eine Dusche. Ein Bett in einem Hostel. Notfalls reicht auch das Zelt. Am nächsten Tag sind wir wieder unterwegs und wieder dreckig.
Dass das Motorrad funktioniert ist wichtig. Damit wir weiter fahren können…
Es gibt welche, die sind grade losgefahren und wissen bereits, dass auch sie dieses Fernweh einholen wird, dass auch sie immer weiter wollen, nie zurück…
Sie packt dich; schleicht sich an deine Seite in einem unbedachten Augenblick, schaut dir über die Schulter, dass du ein wenig erschrickst; dann ist es bereits zu spät… sie hat dich eingeholt. Die unstillbare Sehnsucht aufzubrechen. Du möchtest schreien vor Freiheit und Glück! Du sehnst dich nach der Weite, nach dem hohen Himmel über der kasachischen Steppe, den dunklen Nächten in den Bergen Kirgistans, nach dem frischen Wasser aus den Quellen des Pamir. Du sehnst dich nach der endlosen Wüste, durch die du gerade in diesem Augenblick fährst. Du willst die eisigen Gipfel des Hindukusch wieder sehen… und dort nicht stehenbleiben. Rein nach Afghanistan, Pakistan, der Himalaya ruft von fern. Indien. Südostasien…
Dieses süße Fernweh schmerzt. Wir Fernreisenden lassen uns so leicht von ihm locken. Wenn wir unterwegs sind, sind wir glücklich. Wer sich einmal auf diesen Weg eingelassen hat, wird ihn vielleicht so schnell nicht wieder verlassen können; auch wenn man zwischendurch nach Hause muss. Auf der Straße noch werden neue Reisepläne geschmiedet. Und es sind mehr Fernreisende unterwegs als man denkt… Wir tauschen uns aus über gute und schwierige Strecken, interessante Ziele, neue Herausforderungen. Wir nehmen begeistert oder mitfühlend Anteil an den Erfahrungen, die ein anderer Reisender gemacht hat. Wir weisen uns auf Schwierigkeiten an den Grenzen hin. Fachsimpeln über technische Probleme. Wenn´s sein muss wird gleich mit Hand angelegt. Wir erzählen uns unsere Träume und wissen sie in guten Händen…
Wir sind wieder unterwegs.